Wie wird aus einem geförderten Pilotprojekt eine dauerhaft tragfähige Infrastruktur? Diese zentrale Frage stellten sich viele der Teilnehmenden des Hands-on-Labs „Vom Drittmittelprojekt über die Community zur etablierten Struktur – Erfahrungsaustausch und Erarbeitung von Empfehlungen“ (Arning et al. 2025) auf dem 9. Bibliothekskongress / der 113. Bibliocon in Bremen am 26.06.2025.
Unser Hands-on-Labs bot einen Rahmen für Austausch, Vernetzung und gemeinsame Reflexion mit dem Ziel, praktische Empfehlungen für die Verstetigung von Informationsinfrastrukturen zu entwickeln.
Ein gemeinsamer Bezugspunkt aller beteiligten Infrastrukturen ist ihre Förderung im Rahmen des Programms „Verantwortung für Informationsinfrastrukturen gemeinsam organisieren“ (VIGO) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Dieses Programm wurde von der DFG eingerichtet, um dem weit verbreiteten Problem der mangelnden Verstetigung von Projektergebnissen entgegenzuwirken. Allzu oft bleiben Softwarelösungen und Services nach dem Ende der Projektförderung ohne institutionelle Anbindung und verschwinden – trotz intensiver Entwicklungsarbeit – aus der Community. Die Förderung im Rahmen des VIGO-Formats unterstützt gezielt solche Projekte, die nachhaltige Strukturen aufbauen wollen: mit einem Fokus auf Community-Beteiligung, organisatorische Verstetigung und langfristige Finanzierungsmodelle. Seit 2024 sind fünf Projekte aus dem Programm gestartet (Kitodo e.V., RDMO e.V., das Open Encyclopedia System, Infra Wiss Blogs sowie WAU – Wissensmanagement AG Universitätsverlage, deren Vertreter:innen das Hands-on-Lab mitgestaltet haben.
Nach einer kurzen Einführung in Ziel und Ablauf der Veranstaltung teilten Vertreter:innen dieser Communities ihre Erfahrungen und Ziele in prägnanten Impulsbeiträgen. Dabei wurden neben erfolgreichen Maßnahmen auch die Herausforderungen benannt, die sich beim Aufbau tragfähiger Strukturen ergeben, etwa bei der Wahl der Rechtsform, der Finanzierung oder der Aktivierung der Community.
Key to digital objects - Kitodo e.V. Mission: Nachhaltige Weiterentwicklung der Digitalisierungssoftware Kitodo Maßnahmen: Vereinsgründung 2012, DFG-Großprojekt, Aufbau eines Entwicklungsfonds
Herausforderungen: Komplexität heterogener Open-Source-Communities vs. einfache Dienstleisterlösungen
RDMO.Research Data Management Organiser e.V. Mission: Releasemanagement, Unterstützung von Entwickler:innen und Community
Maßnahmen: Vereinsgründung 2024, 21 Mitglieder, Satzung verabschiedet
Herausforderungen: Gemeinnützigkeit, Governance, Mitgliedschaftsmodelle
Open Encyclopedia System (ComOES) Mission: Aufbau tragfähiger Strukturen für Zusammenarbeit und Austausch
Maßnahmen: Anforderungsanalyse, Community-Workshops, Informationsangebote
Herausforderungen: Aktivierung der Community, Anreize schaffen, Dezentralisierung
Infra Wiss Blogs Mission: Sicherung der langfristigen Zugänglichkeit wissenschaftlicher Blogs
Maßnahmen: Analyse, Community-Aufbau, Lösungsentwicklung
Herausforderungen: Individualität des Bloggens vs. institutionelle Infrastruktur
WAU – Wissensmanagement AG Universitätsverlage Mission: Nachhaltiger Austausch, Standardisierung, Sichtbarkeit für Library Publishing
Maßnahmen: Vergleich von Workflows, Aufbau eines Living Handbooks als Wissensbasis auch außerhalb der AG Universitätsverlage
Herausforderungen: Disziplinenvielfalt, heterogene Strukturen
Leitfragen
Im Zentrum des Hands-on-Labs stand eine intensive Gruppenarbeitsphase in Form eines World Cafés. Alle Teilnehmenden durchliefen drei moderierte Stationen, an denen konkrete Fragestellungen zur Verstetigung von Projekten diskutiert wurden. Die Ergebnisse wurden anschließend im Plenum zusammengetragen und werden im Folgenden dokumentiert.
1. Wie gewinnt man interessierte Anwendende und baut eine aktive Community auf?
Ein zentrales Ergebnis der Diskussion war: Erfolgreiches Community-Building beginnt nicht erst nach dem Projektabschluss, sondern idealerweise bereits in der frühen Konzeptionsphase. Projekte sollten von Beginn an transparent kommunizieren, wer mitwirken kann, und möglichst niedrigschwellige Beteiligungsangebote schaffen. Kommunikation auf Augenhöhe und das ernsthafte Einbinden von Nutzer:innen in Entscheidungen, etwa durch Testphasen, offene Roadmaps oder partizipative Gremien, fördern die Identifikation mit dem Projekt. Als besonders wirkungsvoll wurden persönliche Kontakte, gezielte Ansprache über bestehende Netzwerke und die Nutzung von Testimonials genannt. Wichtig sei es, den konkreten Mehrwert für potenzielle Mitstreitende klar aufzuzeigen, z.B. durch Mitgestaltungsmöglichkeiten oder durch Hinweise darauf, was bei einem Scheitern der Infrastruktur verloren ginge.
2. Welche Werkzeuge und Maßnahmen unterstützen den Aufbau einer stabilen Community?
Mit dieser Leitfrage wurden organisatorische und technische Instrumente zur Stärkung der Community adressiert. Genannt wurden u.a. kollaborative Plattformen für Dokumentation und Austausch (z. B. Wikis, Mailinglisten, GitHub), regelmäßige Online- und Präsenztreffen sowie modulare Governance-Modelle mit klar verteilten Rollen. Insbesondere Open-Source-Modelle wurden als förderlich für Transparenz und Mitwirkung angesehen – vorausgesetzt, es existiert eine koordinierende Stelle, die Beiträge moderiert und Entwicklungen konsolidiert. Die Diskussion zeigte auch, dass eine professionelle Projektkoordination entscheidend ist: Nur wenn Aufgaben wie Kommunikation, Dokumentation oder Support verlässlich übernommen werden, entsteht Vertrauen in die Verlässlichkeit der Infrastruktur. Communities benötigen Ansprechpersonen, die die Interaktion fördern, Feedback aufgreifen und Impulse für Weiterentwicklungen setzen.
3. Was sind geeignete Organisations- und Rechtsformen für nachhaltige Strukturen?
Auch die Frage nach passenden organisatorischen Rahmenbedingungen wurde diskutiert. Viele Projekte befinden sich im Übergang von informellen Strukturen zu formalen Organisationen – etwa in Form eingetragener Vereine. Die Diskussion machte deutlich: Eine Gemeinnützigkeit ist zwar wünschenswert (z. B. zur Mittelakquise), aber mit hohem bürokratischen Aufwand verbunden und oft schwer zu erreichen. Mitgliedsbeiträge allein decken die Betriebskosten in der Regel nicht; vielmehr setzen viele Communities auf Mischfinanzierungen – etwa durch die Einbindung von Ressourcen aus Trägereinrichtungen oder durch Kooperationsmodelle. Als vorteilhaft wurden konsortiale Strukturen und kooperative Netzwerke benannt, in denen Aufgaben arbeitsteilig verteilt und Ressourcen gemeinsam getragen werden. Dabei sei es zentral, Governance-Strukturen nicht nur effizient, sondern auch sichtbar und nachvollziehbar zu gestalten – z. B. durch Vorstände, Beiräte oder öffentliche Geschäftsordnungen. Gleichzeitig wurde betont, dass auch schlanke, projektnahe Strukturen funktionieren können, solange alle gemeinsam daran arbeiten, sich engagieren und organisatorische Aufgaben reihum übernehmen.
Perspektiven und nächste Schritte
Die Diskussionen zeigten, dass der Weg von der Projektförderung hin zu einer verstetigten Infrastruktur kein Automatismus, sondern ein aktiver, oft herausfordernder Gestaltungsprozess ist. Erfolgsfaktoren sind frühzeitige Beteiligung, klare Verantwortlichkeiten, transparente Kommunikationswege und tragfähige Organisationsformen. Besonders betont wurde die Bedeutung gemeinsamer Werte wie Offenheit, Teilhabe und Verlässlichkeit, aber auch das Spannungsfeld zwischen Idealismus und Pragmatismus. Das Hands-on-Lab verstand sich als Auftakt für einen kontinuierlichen Austausch zum Thema.
Weitere Informationen über die Forschungsgruppe Information Management an der Humboldt-Universität zu Berlin finden sich auf der [offiziellen Website] der Gruppe. (http://hu.berlin/infomgnt).
Dieser Text – mit Ausnahme von Zitaten und anderweitig gekennzeichneten Abschnitten – steht unter der CC BY 4.0 Lizenz.
References
Citation
@online{pampel2025,
author = {Pampel, Heinz and Arning, Ursula and Grote, Brigitte and
Wahlen, Gesche and Jagusch, Gerald and Spenger, Martin and Rohrwild,
Jürgen and Strötgen, Robert and O. Khamis, Christopher},
title = {“{Vom} {Drittmittelprojekt} Zur Etablierten {Struktur}”.
{Bericht} Über Ein {Hands-on} {Lab} Auf Der 113. {Bibliocon}},
date = {2025-08-08},
url = {https://doi.org/10.59350/b1n5j-rz617},
langid = {en}
}